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Die neuen Regelungen zur Ganztagsgrundschule

Am 16. Juli 2014 hat der Landtag von Baden-Württemberg das Gesetz für die Ganztagsgrundschule und die Grundstufen der Förderschulen verabschiedet. Damit ist die Ganztagsschule kein Schulversuch mehr, sondern verbindlich im Schulgesetz verankert. Das neue Konzept wurde in enger Abstimmung mit den kommunalen Landesverbänden entwickelt. Es zeichnet sich dabei durch seine Flexibilität aus. Schulträger und Eltern können wählen zwischen der verbindlichen Form der Ganztagsschule, an der alle Kinder einer Schule teilnehmen, und der Wahlform, bei der die Eltern entscheiden, ob sie ihr Kind anmelden. Außerdem gibt es vier verschiedene Zeitmodelle, die sich den Bedürfnissen vor Ort anpassen.

Mit der Schulgesetzänderung möchte die Landesregierung einen flächendeckenden Ausbau von Ganztagsgrundschulen voranbringen. Jedes Kind soll die Möglichkeit haben, eine Ganztagsschule in erreichbarer Entfernung besuchen zu können. Dabei wird angestrebt, dass sich bis 2023 rund 70 Prozent der Grundschulen und Grundstufen der Förderschulen an dem neuen Ganztagsschulprogramm beteiligen. Rund 158 Millionen Euro investiert das Land im Endausbau dafür. 

Mittelfristig ist daran gedacht, Ganztagsangebote auch an den weiterführenden Schulen auszubauen.

Mit der Änderung des Schulgesetzes wurde somit seit dem Schuljahr 2014/2015 ein neuer Rahmen für die Ganztagsgrundschule gesetzt. In einem gemeinsamen Eckpunktepapier des Landes Baden-Württemberg und der kommunalen Landesverbände zur Ganztagsschule wird beschrieben, was die Voraussetzungen für den Ganztagsbetrieb sind. Hier die wichtigsten Stichpunkte:

Rhythmisierter Ganztagsbetrieb ist an drei oder vier Tagen mit jeweils sieben oder acht Zeitstunden möglich, der Schulträger kann sich für eine dieser Formen entscheiden.

Ganztagsschule gibt es entweder in der verbindlichen Form für alle Schülerinnen und Schüler einer Schule oder in der Wahlform. 

Es gilt Schulgeldfreiheit. Für Mittagessen kann ein Entgelt erhoben werden. Ebenso können bei zeitlich oder inhaltlich über den Ganztagsbetrieb hinausgehenden Angeboten Entgelte erhoben werden. Mindestens ein kostenloses Angebot muss jederzeit sichergestellt werden.

Der Schulträger beantragt die Einrichtung einer Ganztagsschule auf Basis eines pädagogischen Konzepts, eine Zustimmung der Schulkonferenz zum Antrag ist notwendig. 

 

Mittagspause in der Ganztagsschule

Die Gesamtverantwortung für die Aufsicht über die Schülerinnen und Schüler liegt grundsätzlich beim Land.

Die Schulträger übernehmen die Bereitstellung, Ausgabe und Beaufsichtigung im Speiseraum für alle Schülerinnen und Schüler.

Die Kommunen übernehmen eine Kostenbeteiligung bei der Aufsicht. Monetarisierungsmittel (siehe Seite 20/21) können für die Mittagspause nicht eingesetzt werden.

 

Andere Betreuungsprogramme

Die bestehenden Betreuungsprogramme werden bis Ende des Schuljahres 2014/2015 wie bisher vom Land bezuschusst. Neuanträge auf Förderung des Landes sind ab dem Schuljahr 2015/2016 nicht mehr möglich. Für die bestehenden Förderungen des Landes wird seitens des Landes ein Bestandsschutz ausgesprochen. Dieser gilt für den Status quo. Sofern ein Schulträger für eine Schule den Antrag auf Einrichtung als Ganztagsschule nach dem neuen Konzept stellt und diese genehmigt wird, werden die Betreuungsprogramme nicht mehr vom Land bezuschusst. 

Weiterhin möglich ist das Jugendbegleiterprogramm. Hier besteht die Möglichkeit, eine Aufwandsentschädigung für Ehrenamtliche auszubezahlen. Ebenfalls können Kooperationen mit gemeinnützigen Organisationen durch ein eigenes Kooperationsbudget gefördert werden. Weitere Informationen unter www.jugendbegleiter.de

Weitere Betreuungsangebote außerhalb des Ganztagsbetriebs obliegen dem Schulträger.

 

Beteiligung außerschulischer Partner

In der Gesetzesbegründung zur Ganztagsschule heißt es unmissverständlich: „Ganztagsschule kann nur gelingen, wenn außerschulische Partner sich einbringen.“ Und weiter ist im Gesetzestext zu lesen, Ganztagsschulen „ … sollen … mit außerschulischen Partnern zusammenarbeiten.“

Mit dieser „Soll“-Bestimmung war sich der Gesetzgeber durchaus bewusst, dass es auch einer entsprechenden Ressourcenausstattung bedarf, denn die in der Ganztagsschule benötigte Verlässlichkeit kann nicht allein durch Ehrenamtliche geleistet werden. Um eine Einbindung der außerschulischen Partner in die Ganztagsschule zu fördern, hat das Land im Juni 2014 eine Rahmenvereinbarung „Kooperationsoffensive Ganztagsschule“ mit den kommunalen Landesverbänden, der Jugendarbeit, den Kirchen und zahlreichen anderen außerschulischen Partnern abgeschlossen. Die Kirchen haben zusätzlich eine eigene Vereinbarung mit dem Land abgeschlossen. Die wichtigsten Punkte der Rahmenvereinbarungen sind auf Seite 18 und 19 dieser Praxishilfe abgedruckt. 

Die Träger der Kinder- und Jugendarbeit sowie die Religionsgemeinschaften, denen nach Artikel 12 Abs. 2 der Landesverfassung als „verantwortliche Träger der Erziehung“ eine wichtige Stellung zukommt, bringen für die Kooperation mit Ganztagsgrundschulen wichtige Voraussetzungen mit: Angebote für Kinder und Jugendliche gehören zu ihren genuinen Aufgaben, für die sowohl haupt- als auch ehrenamtlich Mitarbeitende nach verlässlichen Qualitätsstandards geschult werden; Ehrenamtliche zum Beispiel im Rahmen der bundesweit gültigen Jugendleitercard (Juleica). Die Kinder- und Jugendarbeit arbeitet nach Prinzipien wie Partizipation, Freiwilligkeit, Lebensweltorientierung und Fehlerfreundlichkeit. Kinder- und Jugendarbeit steht für einen wertschätzenden Umgang mit allen Kindern und Jugendlichen, knüpft an deren Interessen an und unterstützt damit die Entwicklung sozialer und personaler Kompetenzen. 

Mit der Ganztagsschule stehen wir alle vor einer großen gesellschaftlichen Herausforderung. Die Kinder- und Jugendarbeit und die Religionsgemeinschaften können sich mit ihren Potenzialen hervorragend einbringen und somit einen wichtigen Beitrag leisten, diese Herausforderung zu meistern.

 

 

Zitate

„Zu einem zeitgemäßen evangelischen Selbstverständnis zählt die Bereitschaft und Fähigkeit, mit Offenheit und klarer Identität den interreligiösen Dialog zu suchen. Wir bejahen die religiöse Vielfalt, die es an Schulen gibt. Im gemeinsamen Nachdenken über wesentliche Fragen des Lebens besteht die Stärke evangelischer Jugendarbeit. Antworten auf solche Fragen werden durch Menschen mit erkennbarem Profil erlebbar.

Gottfried Heinzmann, Leiter des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg (EJW)

 

Mit ihrem Bildungsverständnis und ihren Prinzipien kann Jugendarbeit Schule aktiv mit gestalten. Daher sollten wir Ganztagsschulen als Chance begreifen und bewusst Kooperationen mit Schulen erproben.

Ulrike Bruinings, Landesjugendpfarrerin der Evangelischen Landeskirche in Baden