Die Welt anschauen
Kirche in der Schule – geht’s nicht auch weltanschaulich neutral?
Wer schon einmal eine Bergtour unternommen hat, der weiß, wie sich dabei der Blick auf die Welt verändert. Von oben sieht manches ganz anders aus, als wenn man mitten drin steckt – zwischen den Häusern oder im Gewühl der Straßen. Der Wanderer wird sich eingestehen: Einen einzigen richtigen, „neutralen“ Blick gibt es nicht. Je nach Standpunkt sehen die Dinge unterschiedlich aus. Wichtig ist es, sich den eigenen Standpunkt klar zu machen, ihn bewusst einzunehmen, und von daher auch um andere Anschauungen zu wissen, sie zu respektieren und wert-zuschätzen.
So ist es auch mit der „Weltanschauung“, die wir als Kirchen vertreten: Die christliche Perspektive ist keine neutrale Sicht der Dinge. Sie sieht die Welt als Gottes gute Schöpfung und jeden Menschen als einzigartiges Geschöpf Gottes. Der Mensch mit seiner unantastbaren Würde steht im Mittelpunkt dieser Sicht. Nicht das was er leistet macht ihn „wertvoll“. Er ist geliebt: Von Gott, vom Mitmenschen, hoffentlich auch von sich selbst. Mit dieser „Weltanschauung“ ermuntern wir die Christinnen und Christen in den Gemeinden dazu, die Lebenswelten um sich herum, auch die der Schule, anzuschauen und sich engagiert in diese Lebenswelten einzubringen.
Das baden-württembergische Schulgesetz formuliert: „Die Schule hat den in der Landesverfassung verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. Über die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinaus ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächstenliebe, zur Menschlichkeit und Friedensliebe (...) zu erziehen und in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern.“ Die Kirchen bringen sich in die Umsetzung dieses Erziehungs- und Bildungsauftrags engagiert ein. Mit ihrem Netz von Kirchengemeinden, Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit, musikalischen Angeboten und vielem mehr bieten sie sich als außer-schulischer Partner an vielen Orten für die Kooperation an.
Seit dem 1. August 2014 ist eine neue Form der Ganztagsgrundschule in Baden-Württemberg gesetzlich ermöglicht worden. Dabei spielt die Zusammenarbeit mit Partnern im Gemeinwesen eine wichtige Rolle. Mit der auf Seite 18 in Auszügen abgedruckten Rahmenvereinbarung bekräftigen das Kultusministerium, die beiden katholischen Diözesen und die beiden evangelischen Landeskirchen in Baden-Württemberg ihren Willen zu einer engagierten Zusammenarbeit im Bereich der Ganztagsgrundschulen. Kirchliche Angebote haben ein erkennbares Profil. Die Pluralität der Schülerinnen und Schüler, auch ihre unterschiedliche religiöse Prägung und Beheimatung wird bejaht und beachtet. Bei dezidiert bekenntnisgebundenen Angeboten wird auf Freiwilligkeit und Wahlfreiheit der Schüler und Eltern geachtet.
Kooperationen zwischen Schule und außerschulischen Partnern basieren auf guten Kontakten. Alle wirkliche Kooperation beginnt mit Begegnung und braucht Personen, die Vertrauen in das Miteinander einbringen. Wir ermutigen dazu, die Zusammenarbeit vor Ort auf vielfältige Weise – und wo immer möglich: in ökumenischer Gemeinsamkeit – aufzubauen. Unser Dank gilt allen, die kirchliche Bildungsangebote in der Kooperation mit Schulen aufbauen und damit umsetzen, was Kirche prägt: Die Welt anschauen, um die Menschen mit den Augen Gottes zu sehen.

Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr
Diözese Rottenburg-Stuttgart

Oberkirchenrat Werner Baur
Evangelische Landeskirche in Württemberg

Ordinariatsrätin Susanne Orth
Erzdiözese Freiburg

Oberkirchenrat Prof. Dr. Christoph Schneider-Harpprecht
Evangelische Landeskirche in Baden